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2022-07-02 09:41:42 By : Ms. Maggie Hu

Enrico Brückner, Leitender Probennehmer des Landeslabors Berlin, schöpft Wasser im Schlachtensee. Einem Schwan kommt das nicht ganz koscher vor

Was für eine Schwanerei! Was macht dieser Typ nur in meinem Revier? Ein Schwan umkreist Enrico Brückner (37) und beäugt ihn misstrauisch.

Brückner ist Leitender Probennehmer vom Landeslabor Berlin. Gerade untersucht er die Wasserqualität des Schlachtensees.

Wechselweise nimmt der Schwan die Utensilien in Blick, die Brückner dabei hat.

Einen weißen Eimer – wie langweilig! Ein durchsichtiges Röhrchen, in dem die Wasserproben transportiert werden – wie uninteressant! Eine Art Stofftrichter, mit einem Ventil unten dran – was, und nichts zu essen? Keine einzige Brotkrume?

Der Schwan stellt sein Gefieder auf. „Oh, oh!“, sagt Brückner. „Jetzt hat er schlechte Laune!“

Brückner (r.) beim Eingießen in einen Trichter, von dem aus die Probenröhrchen befüllt werden

Dabei sollte der Schwan doch dem Chemietechniker dankbar sein. Immerhin prüft der die offiziellen Badestellen des Landes auf deren Sauberkeit.

Neben der Strandhygiene sind das im Wasser Cyanobakterien (Blaualgen), pH-Wert, Sauerstoffsättigung und ganz besonders: die „Indikatorkeime“. Sie heißen Escherichia coli und Intestinale Enterokokken.

Die beiden Begriffe sind nicht nur schwer verdaulich, auch sonst handelt es sich um Darmkeime. Sie entscheiden letztlich darüber, welche Einstufung aufgrund einer EU-Richtlinie das Gewässer erhält.

Während das Wasser im gesunden Dreiecksteich kristallblau funkelt, sieht man im Großen Teich eine dunkel-grüne Brühe.

Doch warum werden die Badegewässer gerade auf sie hin untersucht? „Es sind Bakterien, die normalerweise nicht in natürlichen Gewässern vorkommen“, erläutert Dr. Sebastian Hoppe, der beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mit seinem Team für die Überwachung der Berliner Badegewässer zuständig ist.

„Wenn sie in erhöhter Konzentration zum Beispiel in einem See vorkommen, geht man davon aus, dass zusätzlich zu ihnen auch noch einiges andere an krank machenden Keimen in dem Gewässer unterwegs ist.“

Über das unangenehme Algenwachstum sagen solche Werte jedoch ebenso wenig aus wie über eingeschränkte Sichttiefen durch organische Schwebstoffe. „Ein Badegewässer kann eine gute Einstufung seiner Wasserqualität haben und dennoch Risiken bergen“, so Hoppe.

FUSSformel: Wer bis zu den Knien ins Wasser geht und dann seine Füße nicht mehr sieht, sollte dort auch nicht schwimmen. Ein Kopfsprung von einem das Wasser überragenden Ast kann unter solchen Sichtverhältnissen ebenso heikel sein, wie die Gefahr, dass ein Schwimmer untergeht.

Enrico Brückner erklärt Reporter Björn Engel, auf welche Substanzen die Wasserproben geprüft werden

Probennehmer Brückner steht das Wasser mittlerweile weit über die Hüften. Die Gummistiefel an seiner olivgrünen Anglerhose sind dabei immer noch gut zu sehen. Eine Entenfamilie mit acht Küken paddelt im Eiltempo an ihm und dem Schwan vorbei.

Noch ist alles die reinste Idylle. Aber im Laufe der kommenden Monate werden die Seen reichlichen Belastungen ausgesetzt sein.

Wann Gewässer in Deutschland zu einer Gefahr für die Gesundheit werden.

„Insbesondere Cyanobakterien – also das, was man umgangssprachlich als Blaualgen kennt – zeigen während des Sommers ein verstärktes Wachstum“, sagt Brückner. „Da diese Giftstoffe produzieren können, erfolgt eine regelmäßige Überwachung repräsentativer Stellen.“

Doch es ist nicht nur die Algenblüte, die über Wohl und Wehe ungetrübter Badefreuden entscheidet. Es ist der Klimawandel insgesamt, der sich auch in der Wasserqualität niederschlagen wird.

Die Hauptarbeit von Chemietechniker Brückner geschieht im Labor

„Der Klimawandel verursacht das vermehrte Vorkommen von Extremwetter-Ereignissen“, erklärt Dr. Hoppe vom Lageso. Das heißt: lange Trockenperioden, dann wieder heftiger Starkregen.

Und Trockenperioden sorgen dafür, dass die Temperatur der Gewässer steigt. Wenn sie wärmer werden, sinkt wiederum ihr Sauerstoffgehalt. „Die Sauerstofflöslichkeit hängt mit der Temperatur zusammen: Je wärmer, desto weniger kann sich der Sauerstoff lösen. Sauerstoff ist aber wichtig für Selbstreinigung der Gewässer.“

Starkregen spült dagegen Schad- und Nährstoffe, sprich: Fäkalien, ins Wasser. „Wenn viel Nährstoffe eingebracht werden, wird viel Sauerstoff verbraucht. Irgendwann ist der Sauerstoffgehalt so niedrig, dass Organismen absterben und der See ‚umkippt‘“, sagt Dr. Hoppe.

Doch von so einem Zustand ist der Schlachtensee meilenweit entfernt. Das einzige, was da aktuell zu kippen droht, ist die Laune des Schwans. Als er endlich die Hoffnung auf Fütterung aufgibt, zieht er verdrießlich seiner Wege. Er dürfte an diesem sonnigen Tag im Süden Berlins einer der wenigen sein, dem gut gelaunte Zweibeiner aufs Gemüt schlagen.

Badegewässer müssen laut EU überprüft und ausgewiesen sein. Um ihre grundsätzliche Qualität über die vergangenen Jahre zu erkennen, geht man am besten auf den Link mit der entsprechenden EU-Seite. Dort können Sie auch die perfekten Badestellen im EU-Ausland finden.

Die aktuelle Wasserqualität bekommt man am einfachsten auf den dafür zuständigen Seiten der Bundesländer heraus. Die meisten wie Berlin und Bayern arbeiten dabei mit interaktiven Karten. Symbol für diese Badestellen ist das Piktogramm mit einem Schwimmer und zwei Wellen, über dem die Anzahl der Sterne auf die Qualität der Badestelle weist: 3 Stern für ausgezeichnet, zwei für gut, einer für ausreichend und ein Minuszeichen für mangelhaft.