Climeworks legt Grundstein für modulare DAC-Anlage Mammoth

2022-06-30 07:42:26 By : Mr. Hongwei Zhu

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Ein Schweizer Cleantech-Unternehmen beschreitet neue Wege: Climeworks bietet seit Juni 2019 an, CO₂ aus der Luft zu filtern und unter der Erde zu speichern – und damit für jeden – beispielsweise – unvermeidbare Emissionen durch private oder geschäftliche Reisen rückgängig zu machen. Die zugrunde liegende Technologie zur CO2-Filterung aus der Umgebungsluft nennt sich Direct Air Capture und entwickelt sich mittlerweile zu einer neuen Industrie zur Bekämpfung der Klimakrise. Neben der ersten kommerziellen Anlage hat das von den beiden Deutschen Christoph Gebald und Jan Wurzbacher gegründete Unternehmen mehrere Hundert Millionen Dollar Venture Capital eingeworben.

Einen Baum pflanzen oder zur Kompensation von Flugreisen einen Preis bezahlen, ist bereits möglich. Aber das, was Climeworks seit 2019 jedem bietet, ist weltweit einzigartig. Es ist der wirklich physikalische Entzug von CO₂ aus der Atmosphäre gegen Geld. Das Klimagas wird dadurch tatsächlich der Atmosphäre entnommen, das Carbon Budget verbessert sich mit jedem Kilogramm CO₂, das wieder unter die Erde kommt.

Als Basis für die Speicherung von Kohlendioxid unter der Erde dienen zwei Technologien: Climeworks aus Zürich hat den ersten Schritt entwickelt: Die direkte Luftabscheidung über ein Filtersystem. Was heute als Direct Air Capture bezeichnet wird, ist mittlerweile in kommerziellen Dimensionen vorhanden. Mit dem Projekt Orca gelang dem Schweizer Cleantech-Unternehmen ein entscheidender Durchbruch.

Den zweiten Schritt beim Rückgängig-Machen von Kohlendioxid-Emissionen übernimmt das auf Island ansässige CarbFix. Das Unternehmen übernimmt das CO2 nach der Luftabscheidung von einer DAC-Anlage und bringt es kombiniert mit Wasser in tiefe Gesteinsschichten. Dort versteinert das Gemisch innerhalb relativ kurzer Zeit vollständig. Das Prinzip ist wissenschaftlich erforscht und praktisch nachgewiesen worden – auf Basis entsprechender Demonstrationsprojekte entstand 2021 das erste kommerzielle Projekt zum Entzug von Kohlendioxid mit anschließender Speicherung unter der Erde.

Christoph Gebald und Jan Wurzbacher hatten sich 2009 zum Ziel gesetzt, eine Lösung zu entwickeln, die bis 2050 Kohlendioxid im Gigatonnen-Maßstab filtern kann. Am 8. September 2021 gelang den beiden Gründern von Climeworks ein wichtiger Meilenstein: Sie eröffneten die weltweit erste Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus der Luft, die kommerziell betrieben wird.

4.000 Tonnen Kohlendioxid werden damit pro Jahr aus der isländischen Luft geholt. Dazu nutzt Climeworks den bewährten zweistufigen Prozess der CO2-Filterung: Zunächst wird Luft mit großen Ventilatoren durch die Anlage hindurch geblasen. Dabei bleibt das Kohlendioxid an einem speziellen Filtermaterial in der Mitte des Container hängen.

Ist dieses Filtermaterial gesättigt, beginnt der zweite Teil des Prozesses: Der Kasten wird geschlossen und erhitzt. Bei 100 Grad Celsius löst sich das Kohlendioxid wieder vom Filtermaterial und kann in hochkonzentrierter Form abgesaugt werden. Für die Anlage kommt zur Durchführung des Prozesses klimafreundliche Geothermie zum Einsatz – Orca wurde in unmittelbarer Nähe zum großen Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi errichtet.

Direkt angrenzend an die Direct Air Capture-Anlage hat Climeworks eine Halle errichtet, um das Kohlendioxid für die Übergabe an das isländische Unternehmen CarbFix vorzubereiten. CarbFix, hervorgegangen aus einem wissenschaftlichen Projekt, vermischt das Kohlendioxid mit Wasser und pumpt es mehrere Hundert Meter tief in die Erde.

Dort laufen natürliche Mineralisierungs-Prozesse zwischen dem Basaltgestein und dem Gemisch ab: Die weißen Poren im Basaltgestein sind das Kohlendioxid, das schließlich innerhalb von zwei Jahren versteinert – und so für immer der Atmosphäre entzogen wurde.

Klar ist: Jede Tonne Kohlendioxid, die durch Orca aus der Luft entfernt werden kann, ist eine Tonne Treibhausgas, die nicht mehr zur globalen Erwärmung beitragen kann. Mit einer Kapazität von 4.000 Tonnen pro Jahr macht Climeworks einen gewaltigen Skalierungsschritt – die erste Kleinanlage zur Demonstration des Kohlendioxid-Entzugs mit gleichzeitiger, unterirdischer Speicherung, schaffte lediglich 50 Tonnen pro Jahr.

Folgen weitere Skalierungsschritte in der identischen Größenordnung, könnte Climeworks die Kapazität von Megatonnen in der zweiten Hälfte dieser Dekade erreichen. Aber: Um die nächsten Schritte machen zu können, braucht Climeworks weiterhin Finanzinvestoren, die Risikokapital geben, und an die Idee des Aufbaus einer DAC-Industrie glauben. Dazu braucht es Unternehmen wie Microsoft und Privatpersonen, wie die 8.000, die bereits den Climeworks-Service zum Ausgleich unvermeidbarer Emissionen in Anspruch genommen haben.

Die Inbetriebnahme von Orca, unweit von Reykjavík, begann im Mai 2020. Die Kollektoreinheiten sind modular und stapelbar gestaltet und haben Containergröße. Sie benötigen nur eine verhältnismäßig kleine Stellfläche. Bis zur Inbetriebnahme dauerte es 15 Monate.

Ebenfalls wichtig: Die Anlage kann so leicht an verschiedenen Standorten weltweit aufgebaut werden – überall dort, wo ausreichend erneuerbare Energie sowie gute Speicherbedingungen wie etwa durch Basaltgesteins-Formationen wie auf Island, vorhanden sind. Im Vergleich zu bisherigen Technologiegenerationen der DAC-Anlagen wurde der Einsatz von Stahl pro Einheit um die Hälfte reduziert.

Durch mehrere technologische Innovationen konnte Climeworks den Prozess intensivieren – dadurch ist eine höhere CO2-Abscheidekapazität pro Modul möglich geworden. So reduziert Climeworks sukzessive die Ressourcen, die benötigt werden, um Kohlendioxid abzuscheiden – auch das soll zur erwarteten Kostendegression auf 100 bis 200 Dollar pro Tonne CO2 beitragen.

4.000 Tonnen Kohlendioxid sind verglichen mit der bisherigen Menge Kohlendioxid, das direkt aus der Luft abgeschieden wird, ein großer Anteil: Rechnet man die 4.000 Tonnen dazu, liegt die Größe derzeit bei 13.000 Tonnen global. An der Abscheidung arbeiten u.a. auch Cleantech-Unternehmen wie Carbon Engineering aus Kanada. Die Ingenieure dort planen 2023 den Spatenstich für zwei Anlagen, die jeweils bis zu einer Million Tonnen Kohlendioxid pro Jahr abscheiden können.

Einen anderen Weg als Climeworks und Carbon Engineering beschreitet ein in San Francisco ansässiges Cleantech-Unternehmen namens Charm Industrial. Dieses gab kürzlich bekannt, bis 2023 das Äquivalent von 3.000 Tonnen Kohlendioxid für die E-Commerce-Plattform Shopify dauerhaft zu binden. Dabei wird das Kohlendioxid allerdings nicht versteinert, sondern Biomasse in eine Flüssigkeit gewandelt, die in den Untergrund injiziert werden kann. Auf diese Weise konnte Charm Industrial bislang 1.000 Tonnen des Klimagases abscheiden.

Vergleicht man 13.000 Tonnen mit den jährlichen Emissionen eines Kohlekraftwerks, wird klar, dass noch viel Arbeit vor Gebald, Wurzbacher und ihrem Team liegt: 13.000 Tonnen entspricht einem Prozent dieser jährlichen Emissionen. Der Weltklimarat IPCC schätzt, dass die Welt bis Ende des Jahrhunderts 100 Milliarden bis 1 Billion Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen muss, um die schlimmsten Auswirkungen zur globalen Erwärmung zu vermeiden.

Aus Sicht von Climeworks zeigt die Inbetriebnahme von Orca nun, dass das Cleantech-Unternehmen aus der Schweiz Climeworksin der Lage ist, die Kapazität zur Entfernung von Kohlendioxid in drei bis vier Jahren um den Faktor 80 zu erhöhen.

Ursprünglich hatte sich das Schweizer Unternehmen zum Ziel gesetzt, bis 2025 ein Prozent der jährlichen, weltweiten CO2-Emissionen – das sind mehr als 300 Millionen Tonnen – abzuscheiden. Angesichts vieler Rahmenbedingungen wie beispielsweise dem CO2-Preis durch den Emissionshandel, die sich langsam in die richtige Richtung bewegen, ist es kaum verwunderlich, dass das ursprünglich als Vision formulierte Ziel nicht erreichbar sein wird.

Am 28. Juni 2022 gab das Cleantech-Unternehmen Climeworks den Bau einer weiteren, deutlich größeren Anlage zur direkten Luftabscheidung bekannt. Für Mammoth wurde der Grundstein gelegt. Der Fokus der Schweizer liegt jetzt darauf, große, modulare Anlagen zur Abscheidung und Speicherung von Luft zu errichten, in die technologische Entwicklung zu investieren und die Organisation global auszubauen.

Mammoth, so heißt die bisher größte DAC-Anlage, deren Bau begonnen hat, ist das 18. Projekt von Climeworks und die zweite kommerzielle Anlage zur direkten Luftabscheidung und -speicherung (Direct Air Capture and Storage, DACS). Sie ist für eine CO2-Abscheidungskapazität von 36.000 Tonnen pro Jahr ausgelegt, wenn sie voll in Betrieb ist – deutlich größer als das Vorgängermodell Orca.

Der Bau des Mammoth-Projekts soll 18 bis 24 Monate dauern und wiederum mit Carbfix kombiniert werden. Das schon bekannte Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi von ON Power wird die Anlage und die Injektionsstellen von Carbfix mit erneuerbarer Energie versorgen. Wie auf der Illustration zu erkennen ist, geht es nun um den Bau einer modularen DAC-Anlage: Die Elemente an sich werden nicht größer, sondern häufiger repliziert. Womöglich kann so auch der Scale-Up in viel größere Dimensionen gelingen.

Mammoth soll genügend Erkenntnisse bringen, um in der nächsten Größenordnung 10-fache Scale-up-Schritte unternehmen zu können. Der Bau der Anlage wurde möglich, weil Climeworks vor kurzem 600 Millionen Dollar Venture Capital einwerben konnte. Gleichzeitig entwickeln sich die Kohlendioxid-Preise entsprechend.

Die Nachfrage nach entsprechenden Projekt ist bis Mitte 2022 kräftig gewachsen. Der IPCC, die Internationale Energieagentur IEA, die Europäische Union und das US-Energieministerium haben den Wert der Technologie erkannt. Die IEA prognostiziert, dass DAC bis zum Ende des Jahrzehnts 85 Megatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen könnte, was mehr als 21.000 Orca-Anlagen entspricht.

Die Regierung von Joe Biden hat 2021 3,5 Milliarden Dollar für den Bau von Luftabscheidungsanlagen im ganzen Land vorgesehen. „Im Kongress gibt es derzeit definitiv eine parteiübergreifende Unterstützung für die direkte Lufterfassung“, sagte Erin Burns, Geschäftsführerin der klimabezogenen Nichtregierungsorganisation Carbon180.

Am 5. April 2022 gab Climeworks die bislang mit Abstand größte Finanzierungsrunde bekannt: 600 Millionen Euro bekam das Cleantech-Unternehmen, das zur Bekämpfung der Klimakrise entscheidend beitragen will, von Investoren. Daran beteiligten sich einige der renommiertesten und größten institutionellen Tech- und Infrastruktur-Investoren.

Das Who-is-who der Investorenszene hat sich an der Kapitalrunde in Höhe von fast 600 Millionen Euro an Climeworks beteiligt:

Wir haben Climeworks mit der Vision gegründet, der Welt eineLösung zur Luftabscheidung zur Verfügung zu stellen, die das Potenzial hat, den Klimawandel umzukehren. Die Beschleunigung des Ausbaus von Kohlenstoffabbaukapazitäten wird eine entscheidende Rolle bei den globalen Bemühungen spielen, die Erderwärmung unter 1,5°C zu halten, was sich positiv auf das Leben von Milliarden von Menschen auswirken wird. Und genau damit werden wir jetzt beginnen.

Mit dem frischen Kapital im Rücken will Climeworks, das Cleantech-Unternehmen wurde 2009 von den beiden Deutschen Christoph Gebald und Jan Wurzbacher gegründet, in die nächste Wachstumsphase starten. Bedeutet: Die Direkte Luftabscheidung soll auf eine Kapazität von „mehreren Millionen Tonnen“ skaliert werden. Mit neuen Großanlagen soll sich Kohlenstoffabscheidung zu einem Billionen-Dollar-Markt entwickeln. Es entsteht eine Art eigene Industrie.

„Remove travel emissions that cannot be reduced. Join the pioneers fighting the climate crisis“ – steht auf der Webseite von Climeworks, die jetzt um einen „Shop“ ergänzt wurde. Ab sieben Euro ist es möglich, CO₂ -Emissionen auszugleichen, die man zuvor bei Reisen erzeugt hat. „Explorer“, „Discoverer“ und „Special Expedition“ sind die Auswahlmöglichkeiten – aber man kann auch seinen ganz eigenen Kompensationsplan generieren.

Climeworks nutzt als Carbon Removal Lösung seinen Direct Air Capture-Ansatz und kombiniert diese mit der Lösung des CarbFix-Projektes das CO₂ sicher unter der Erde zu speichern. Dazu wird das CO₂ mit dem Wasser einer Geothermieanlage gemischt und tief unter die Erde gepumpt. Durch natürliche Prozesse reagiert das CO₂ mit dem dortigen Basaltgestein – und wird innerhalb weniger Jahre dauerhaft und sicher zu Stein.

Weder Wetterbedingungen noch Brände können das klimaschädliche Gas nach Angaben von Climeworks und CarbFix wieder freisetzen. Dabei ist Island nur einer von mehreren Standorten weltweit, die für das CarbFix-Verfahren in Frage kommen. Auf globaler Ebene haben Studien eine Gesamtkapazität von 30 Billionen Tonnen CO₂ geschätzt. Große, weitere Vorkommen befinden sich etwa in den USA oder Asien.

Carbon Dioxide Removal ist eine essentielle Technologie, um die Atmosphäre von CO₂ zu befreien. Aber: Es darf selbstverständlich kein Freifahrtschein sein, andere Maßnahmen zu unterlassen – Bäume pflanzen, Rodung des Regenwaldes stoppen, aus Abfällen Biokohle oder neuartige Rohstoffe für Reifen generieren, anstatt die Abfälle zu verbrennen – diese und viele weitere Maßnahmen, die letztlich weg von fossilen Rohstoffen, hin zu saubereren Alternativen führen, müssen mit voller Wucht vorangetrieben werden.

Und dennoch: Der letzte IPCC-Bericht zeigt, dass die „normalen“ Maßnahmen nicht ausreichen werden – zusätzlich müssen negative Emissionen hinzukommen. Climeworks ist dabei zusammen mit Carbon Engineering oder Global Thermostat ein Vorreiter. Und auch wenn der Verkauf des gespeicherten Kohlendioxids erst über Jahre richtigen Impact bringen dürfte: Er hilft, die Entwicklungen von Climeworks günstiger zu machen und womöglich schneller zusätzliche Direct Air Capture-Anlagen zu bauen.

Die Carbon Removal-Anlagen von Climeworks hat noch zwei Haken: Sie ist relativ energieaufwändig und braucht vor allem Wärme. Diese ist am Geothermiekraftwerk in Island reichlich vorhanden, so dass das Problem bei diese Installation gelöst ist. Dazu ist sie noch relativ teuer – langfristig ist die Filterung und Speicherung für weniger als 100 Dollar pro Tonne angestrebt. Um dorthin zu kommen, sind aber weitere Sprünge und der sukzessive Bau weiterer Anlagen notwendig.

Im Vergleich zu anderen Negativ-Emissions-Technologien, (Carbon Removal) die der IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel als CO2-Senken auflistet, hat die Climeworks-Lösung aber auch Vorteile: Der Flächenverbrauch ist geringer, es wird kein Wasser für den Prozess von Climeworks benötigt und, sollten die Kosten auf weniger als 100 Dollar pro Tonne sinken, wäre die Lösung im Vergleich etwa zu BECCS wettbewerbsfähig.

Hinweis: Martin Jendrischik, der Autor dieses Beitrags, war bis November 2018 für Climeworks als Kommunikationsberater tätig. Seitdem bestehen keine Geschäftsbeziehungen.

Super geschrieben und sehr informativ!!!

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