Dawid Tomaszewski auf der Fashion Week: Warhol, Bauhaus und Glitzer - DER SPIEGEL

2022-06-30 07:40:35 By : Ms. Candy Chen

Der Vorteil guter Kulissen ist, dass die Gäste davor für Instagram posieren und Werbung für einen machen. Der Nachteil guter Kulissen ist, dass die Gäste davor posieren, auch wenn seit ein paar Minuten eine Modenschau laufen soll. In dem Fall die von Dawid Tomaszewski. Für sein 10. Jubiläum als Designer hat er einen ehemaligen Supermarkt nach einem Werk von Andy Warhol dekorieren lassen, der hatte schließlich auch vor kurzem Geburtstag. "Das wollten wir feiern", hat Tomaszewski vor der Show verraten. In der Mitte des Raums hängen silberne, luftgefüllte Kissen von der Decke, ein paar liegen auf dem Boden. Es läuft Techno, zu laut für die Boxen und für die Ohren. Es dröhnt.

Als alle Selfies und "Schnappschüsse" gemacht sind, kann es losgehen. Fast. Denn noch hat nicht jeder seinen Platz gefunden, muss hier und da noch eine Lücke gefüllt werden. Sonst sieht es hinterher auf den Fotos nicht gut aus. Um 20.16 Uhr, knapp eine Viertelstunde später als geplant, ist es dann wirklich soweit. Was nun gezeigt wird, beschreibt Dawid Tomaszewski mit zwei Worten: "opulenter Minimalismus". Ein Widerspruch, scheint es. Bei dem 38-Jährigen ist es nämlich so: "Entweder der Schnitt ist wahnsinnig reduziert, dann kommt ein krasser Print drauf. Oder umgekehrt."

Heute sind vor allem die Muster wild. Tomaszewski hat sie zusammengesetzt aus einem Bauhaus-Motiv. Das mag im großen Bauhausjahr nicht unbedingt überraschend sein, aber er ist auch in allen anderen Jahren großer Fan der Designschule. Die Kollektion hat er "Colour Screens" betitelt, es wird also bunt. Schwarz war zwar noch nie seine Farbe, aber seit etwa drei Jahren ist er deutlich farbenfreudiger. "Weil ich erwachsen geworden bin", glaubt er. Er ist jetzt 38 und dabei, eine Familie zu gründen.

Auch sein Unternehmen ist mittlerweile groß geworden. Er kann sich noch erinnern an seine erste Show, 2010 war das: kaum Assistenten, vieles war improvisiert. Heute leitet er ein Unternehmen, das international expandieren soll. Er hat Verantwortung für Mitarbeiter, er ist gut im Geschäft, entwirft längst nicht mehr nur Mode. Für Rolf Benz hat er einen Sessel gestylt, auch Brillen und Schuhe hat er schon gemacht, zuletzt eine Thermosflasche für McCafé. Das mit Koi verzierte Teil gibt es in - vermutlich großzügig - limitierter Auflage zur aktuellen Fashion Week.

Wie gut Tomaszewski im Geschäft ist, zeigt sich auch auf den Platzkarten. 15 Logos plus sein eigenes sind auf der Rückseite abgedruckt, von Tinder bis zu einer Immobilienfirma ist alles vertreten, auch die EU (Fonds für regionale Entwicklung) und die Stadt Berlin (Projekt Zukunft). Das ist nicht ungewöhnlich. Viele Designer könnten sich ohne Sponsoren keine aufwendigen Modenschauen leisten. Und ohne Modenschau stünde hier wahrscheinlich kein Text.

"Colour Screens" also: Der erste Look ist eine Kombination aus einem knielangen, vorne geknöpften Rock und einem Blazer. Das Muster sieht sehr wild aus. Der Rest ist schlicht, wie versprochen - klassischer Schnitt, keine großen Revers, überlangen Ärmel oder so etwas. Die Füße des Models stecken in cremefarbenen Kniestrümpfen, die mit bunten Swarovski-Steinen verziert sind, jeder von Hand angeklebt. Sogar seine Mutter hat mitgeholfen, damit alles rechtzeitig fertig wird.

Eröffnungslook bei Dawid Tomaszewski

Auch die nächsten Entwürfe - ein Kleid, ein Mantel (für manche ist Tomaszewski der "König der Mäntel"), ein Hosenanzug, ein Einteiler - sind mit der Bauhaus-Interpretation verziert. Manche Stücke sind zweifarbig, die anderen sehr bunt: gelbe, grüne, blaue, rote und braune Streifen kreuzen sich auf dem weißen Stoff. Die zweifarbigen Teile sehen besser aus. Auch komplett einfarbige Looks sind dabei, karierte ebenfalls.

Danach wird es dunkler und glamouröser. Ein schillernder Paillettenrock, auf dem bei näherer Betrachtung ebenfalls das Streifenmuster zu sehen ist, wird zu einem dunkelbraunen Pullover getragen, den Tomaszewski mit einem dunkelgelben Streifen gesäumt hat. Etwas krasses und etwas simples, opulenter Minimalismus.

Einen Monat für einen Mantel

Außerdem hat Tomaszewski an diesem Abend noch parat: weite Strickpullover, eine Steppweste mit großem Kragen, Blusen, Schlauchkleider und etwas merkwürdig aussehende Röcke mit einer quer über die Front verlaufenden Naht. Die Hosen sind teilweise so weit geschnitten, dass von den Schuhen beim Laufen nur noch die Spitze hervorschaut. Hier und da ist Tüll verarbeitet, etwa an der Kapuze eines Hoodys oder zu einem Rock, der mit Marabufedern beklebt ist.

Das aufwendigste Teil ist ein geflochtener Mantel, den herzustellen etwa einen Monat gedauert hat - "mit Pausen". Tomaszewskis Lieblingsteile sind aber die Kaftane. Seine Mutter, neben der Kunst wohl seine größte Inspiration, hat früher ständig welche getragen. Jede Frau sollte einen haben, findet er. Also lässt er die Models zum Ende noch einmal in seinen Kaftanentwürfen auflaufen. Sie stellen sich rings um die Installation auf. Die Show ist fast vorüber, fehlt nur noch der Mann, auf den jetzt alle warten.

Tomaszewski - ganz in Schwarz mit Smokingjackett - holt sich den Schlussapplaus im Vorbeilaufen ab. Er rennt ein Stück an seinen Gästen den Laufsteg entlang. Etwa auf der Hälfte, wo die Berliner Bürgermeisterin sitzt, bleibt er stehen, legt die Hände vor der Brust zusammen und verbeugt sich. Die Bürgermeisterin, die auch Senatorin für Wirtschaft ist, überreicht ihm einen Blumenstrauß. Tomaszewski lächelt, er sieht stolz aus. Der Augenblick schein scheint ihm große Freude zu bereiten. Doch jetzt ist nicht etwa Feiern oder Ausruhen angesagt. Sobald eine Kollektion fertig ist, muss er mit einer anderen Arbeit anfangen, "sonst denke ich immer an die Sachen auf dem Hänger". Weitermachen, um aufzuhören - ohne Widersprüche geht es nicht bei Dawid Tomaszewski, genau deswegen funktioniert es.

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In einem alten Supermarkt und vor einer von Andy Warhol inspirierten Kulisse zeigte der Berliner Designer Dawid Tomaszewski seine aktuelle Kollektion.

Klassischer Schnitt - keine großen Revers, überlangen Ärmel oder so etwas - und ein wildes Muster. Der erste Look der Show.

Seinen Stil beschreibt der Designer als "opulenten Minimalismus".

Dieser Parka ist eines der aufwendigsten Stücke der Kollektion. Ihn zu flechten hat rund einen Monat gedauert (mit kleineren Unterbrechungen).

Für manche seiner Kundinnen ist der Berliner Designer der "König der Mäntel".

Titel der Herbst-Winter-Kollektion ist "Colour Screens".

Hose mit Pepitamuster von Dawid Tomaszewski.

In der Mitte der Show wurde es dunkler und glamouröser.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich das vom Bauhaus inspirierte Streifenmuster auch auf diesem Paillettenkleid.

Am stärksten ist die Kollektion, wenn sie nicht ganz so laut ist.

Zum Ende lässt Tomaszewski die Models noch einmal in seinen Kaftanentwürfen auflaufen. Das Kleidungsstück ist sein absoluter Favorit.

Dawid Tomaszewski nach seiner Modenschau. Er arbeitet mit seinem Team mittlerweile schon an der Sommerkollektion für 2020.

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