Deutsche Antwort auf Mikroelektronik-Großforschung in Belgien und Frankreich - Oiger

2022-06-30 07:32:35 By : Ms. Jenny Zhang

Das Ilmenauer „ForLab NSME“ arbeitet an neuromorpher Elektronik auch jenseits der Von-Neumann-Architektur. Hier im Bild ist das Kryo-Analytiklabor an der TU Ilmenau zu sehen. Foto: André Wirsig für das Forlab NSME

Dresden/Berlin, 29. März 2022. Durch die „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) und die zwölf vorgeschalteten Chiptechnologie-Forschungslabore (Forlabs) hat Deutschland nun auch ein virtuelles Mikroelektronik-Großforschungszentrum geschaffen, das sich mit dem Imec in Belgien, dem Cea-Leti in Frankreich messen kann. Das hat FMD-Lenker Prof. Albert Heuberger während der digitalen Konferenz „Mikroelektronik-Forschung in Deutschland: von den Grundlagen zur Anwendung“ in Dresden eingeschätzt. „Damit können wir auf dem europäischen Spielfeld nun besser mitspielen – auch im Rahmen des EU-Chip-Acts“, schätzte Heuberger ein, der in Personalunion das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen und den FMD-Lenkungskreis leitet.

Vor allem auf Drängen von Fraunhofer und der sächsischen Mikroelektronikindustrie hatte die damalige Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) im Jahr 2017 rund 350 Millionen Euro zugesagt, um die FMD aufzubauen – einen virtuellen Verbund aus Pilotlinien, die über Deutschland verstreut ganz verschiedene Mikroelektronik-Entwicklungsprojekte bearbeiten. Beteiligt waren und sind ein Dutzend Fraunhofer- und zwei Leibniz-Institute. Die Koordination hat eine Geschäftsstelle in Berlin übernommen.

In Summe hatten die beteiligten FMD-Institute bis Ende 2021 mit den Fördergeldern rund 250 neue Anlagen beschafft, um Lücken in ihren wissenschaftlich-technischen Ketten zu schließen. Ein Investitionsschwerpunkt lag dabei in den Halbleiter-Forschungsreinräumen in Dresden. Nach der nun abgeschlossenen Aufbauphase soll sich die FMD jetzt weitgehend selbst durch Industrieaufträge finanzieren. Hirschberger äußerte sich zuversichtlich, dass dies auch gelingen werde.

Prof. Thomas Mikolajick auf der Semicon 2019. Foto: Andre Wirsig

An diese FMD für die Pilotproduktion hatten sich ab 2019 noch zwölf Forelabs angedockt, die sich stärker auf die Vorlaufforschung konzentrieren. Sie bekamen rund 50 Millionen Euro, um auch ihre Hardware-Lücken zu schließen. Die 14 beteiligten Unis bestellten dafür in Summe 100 Anlagen, von denen 96 inzwischen geliefert sind. „Es gab da einige Verzögerungen durch Corona und den Brexit, daher haben wir das Projekt etwas verlängert“, berichtete Forlab-Koordinator Prof. Thomas Mikolajick von der TU Dresden. Bis November 2022 sollen aber die letzten Anlagen geliefert sein. Damit „verfügen Hochschulstandorte deutschlandweit über eine hervorragende Ausrüstung und Infrastruktur“, betonte er. „Diese kann und muss intensiv genutzt werden.“ Er plädierte dafür, die Forlabs künftig auch stärker für ausgegründete Hightech-Unternehmen zu öffnen, damit die zum Beispiel Reinräume anmieten wollen.

Harald Gossner ist „Senior Prtincipal Engineer“ bei Intel. Bildschirmfoto (hw) aus: Virt. Tagung „Mikroelektronik-Forschung in Deutschland…“

Die Idee bei beiden Linien – Forlab wie auch FMD – ist eine enge Vernetzung der bisher eher zersplitterten Mikroelektronik-Forschung in Deutschland. Dieses Phänomen war auch Intel aufgefallen, als sich die Halbleiterriese kürzlich für seine 30 Milliarden Euro schweren Investitionen in Europa entschieden hatte. Intel-Ingenieur Harald Gossner sprach in diesem Zusammenhang von einer „eher fraktalen Forschungsstruktur“. Intel habe aber großes Interesse daran, weitere Kooperationen mit den Forschungseinrichtungen in Deutschland und Europa aufzubauen.

Forlab-Koordinator Mikolajick sieht dank der Vernetzung durch die FMD und den Forlab-Verbund auch bessere Chancen: Dadurch sei ein beachtlicher „Innovationstrichter“ entstanden, schätzte er ein: Gemeint ist die sehr breite Vorlaufforschung in den Forlabs, die später zu einer Auswahl an Pilotlinen in den FMD-Instituten getrichtert wird.

An der neuen Atomlagenabscheidungs-Anlage können die DCST-Forscher und -Forscherinnen nun auch atomdünne Metallschichten mit hoher Präzision erzeugen. Foto: DCST

Die angeschlossenen Forlabs beschäftigen sich unter anderem an zweidimensionalen Materialien, Memristoren, Spintronik, gehirnähnlichen Computern, neuen Sensoren, Photonik, besserer Leistungselektronik und Höchstfrequenzelektronik. Das „Forschungslabor Mikroelektronik Dresden für rekonfigurierbare Elektronik“ (DCST) zum Beispiel experimentiert mit Chips, die sich selbst auf der Hardwareebenen auf neue Aufgaben umprogrammieren können. Die Fördergelder hatten den Dresdnern geholfen, eine kleine komplette Chipfertigungskette bis hin zur Endmontage aufzubauen, mit der sie unter anderem an Titan-Nanodraht-Transistoren arbeiten. Zu den Anschaffungen gehörte eine besonders leistungsfähige Atomlagenabscheidungs-Anlage (ALD).

Ein weiteres Beispiel aus Sachsen: Das „ForLab Mat4μ“ an der Bergakademie Freiberg sucht nach neuen Materialien und Test-Bauelementen für die Leistungselektronik, aber auch an Nanodiamanten für Quantencomputer.

„Bitten bauen Sie mit ihren Forschungen weiter Brücken in die Gesellschaft hinein“, appellierte Ina Schieferdecker vom Bundesforschungsministerium an Mikolajick und Heuberger. „Die Chipkrise hat uns unsere Abhängigkeiten sehr deutlich gezeigt und auch deutlich gemacht: Wie müssen technologisch souverän sein.“ Und das gelte ganz besonders für die Fähigkeit Deutschlands und Europas, endlich auch wieder Chips der allerneuesten Generationen designen zu können.

Quellen: Tagung „Mikroelektronik-Forschung in Deutschland“, TUD, Intel, BMBF, FMD, Oiger-Archiv

Kaffeetasse im Design Trockenlehm aus vietnamesischer Manufakturarbeit auf eBay. Foto: Heiko Weckbrodt

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