Kompost in der Stadt: Tipps, um Küchenabfälle zu verwerten

2022-06-30 07:39:25 By : Ms. Tina Qu

Wir Schweizer sind weltweit führend im Produzieren von Abfall. 716 Kilo Müll verursachen wir jedes Jahr pro Kopf. Und die Bio-Abfälle, die eigentlich sehr einfach zu verwerten wären, machen einen beträchtlichen Teil davon aus. Von den 5,5 Millionen Tonnen Bio-Abfällen in der Schweiz landet drei Viertel in der Kehrichtverbrennung – und somit gehen auch wertvolle Bodennährstoffe verloren.

Doch das mit dem Bio-Müll ist eine unangenehme Sache. Der stinkende Grünabfall auf dem Fenstersims ist der Graus aller Stadtwohnungsbewohner und die vor sich hin gärende Bio-Tonne fast schon eine Zumutung für die Müllabfuhr. Dabei müsste der Bio-Müll gar nicht stinken, sondern könnte ganz einfach und vor allem ganz geruchlos kompostiert und zu wertvollem Dünger oder Gartenerde verarbeitet werden.

Der stinkende Kompostkübel auf dem Fenstersims ist der Graus aller Stadtbewohner. Drei junge Genfer haben mit ihrem Start Up Klode° eine Lösung für das Problem gefunden: ein Kompostkübel mit Vakuumsystem. Nach dem Entsorgen der Küchenabfälle wird dem «Mint» durch einen Vakuumpumpe im Deckel manuell die Luft entzogen. So kann der Zersetzungsprozess verzögert werden und die Abfälle müssen nur alle paar Tage entleert werden. Ausserdem ist der Kübel luftdicht, sodass keine unangenehmen Gerüche entstehen und der Mint problemlos auch in der Küche aufbewahrt werden kann (sollte er auch, denn in der Sonne beginnen die Küchenabfälle schneller zu gären). Vakuum-Kompostkübel Mint, erhältlich für 59 Franken bei klode°. (Bild: klode°)

Wenn auch viele gerne ihre Küchenabfälle sinnvoll verwerten würden, solle man sich zu Beginn aber fragen, ob man überhaupt Bedarf für Kompost oder einen Abnehmer dafür hat, sagt Christian Henle vom Kompostforum Schweiz. «Wer einfach eine praktische Entsorgung für seine Küchenabfälle sucht, sollte besser die Grüngutabfuhr nutzen. Denn ein Kompost braucht Pflege und Geduld.»

Will man seine Küchenabfälle aber selber verwerten, hat man grundsätzlich drei Möglichkeiten: Eine davon ist die Wurmmethode. Wie der Name schon vermuten lässt, ist das nichts für Menschen, die keine Würmer ertragen. Denn der Wurmkompost funktioniert nur mit Hilfe von ein paar hundert Kompostwürmern.

Dabei braucht es einen mehrstöckigen Behälter mit durchlässigen Sieben. Das Zürcher Jungunternehmen WormUp zum Beispiel hat einen Komposter aus Ton entwickelt mit mehreren Aufsätzen. Die Würmer werden mit etwas Erde in einem unteren Stock angesiedelt, der oberste Stock wird jeweils mit den frischen Küchenabfällen befüllt. Diese dienen als Wurmfutter und werden zu feinem, krümmeligen Wurmhummus verarbeitet, der sich auf dem Boden des Behälters ansammelt.

Der Wurmhummus kann aber nicht als reiner Hummus direkt im Pflanzentopf oder Beet verwendet werden, sondern sollte als hochkonzentrierter, natürlicher Dünger in dosierten Mengen eingesetzt werden. Wer nicht genügend Beete und Topfpflanzen zu düngen hat, kann damit vielleicht den Nachbarn eine Freude machen oder aber man führt den Wurmhummus dem Wald zu.

Die Vorteile der Wurmkompostierung: Pro Woche könnten so gut drei Kilo Küchenabfälle verarbeitet werden; und zwar geruchslos, maximal ein leichter Geruch nach Waldboden sollte zu vernehmen sein. Der Behälter kann in der Wohnung wie draussen aufgestellt werden. Nur vor starker Sonneneinstrahlung und Frost müssen die Würmer geschützt werden.

Der einzige Nachteil ist, dass nur pflanzliche Küchenabfälle so kompostiert werden können. Die Würmer können keine tierischen Produkte wie Käse oder Fleisch sowie gekochte oder gesalzene Essensreste verarbeiten. Idealerweise wird unter die Küchenabfälle jeweils einen Drittel faserreiches Material wie Eierkartons oder Blumenstängel gemischt.

Eine zweite wohnungstaugliche Verwertungsmöglichkeit ist die aus Japan stammende Bokashi-Methode, die auf Fermentierung basiert. Dabei werden die Küchenabfälle – je nach Anleitung heisst es, dass auch Gekochtes und Tierisches verwendet werden kann – in einem luftdichten Behälter mit Abflusshahn gesammelt.

Über die neuen Abfälle wird jeweils etwas Ferment (in Gartencentren oder Baumärkten erhältlich) gestreut und gut angedrückt, damit möglichst wenig Luft im Grüngut ist. Ist der Eimer voll, lässt man den Inhalt unter Luftausschluss zwei bis drei Wochen vergären. Wobei immer wieder überprüft werden sollte, ob schon Gärflüssigkeit entstanden ist. Die fertige, leicht nach Apfelessig riechende Gärflüssigkeit ist sehr stark – sie kann sogar als natürlicher Abflussreiniger eingesetzt werden – und sollte nur im Verhältnis 1:100 mit Wasser verdünnt als Dünger verwendet werden.

«Das Gärgut, also die vergorenen Küchenabfälle im Behälter, können ebenfalls noch verwendet werden», so Henle. Entweder kann es portionenweise als Dünger in der Topf- oder Gartenerde vergraben werden (allerdings mit mindestens 20 cm Abstand zu den Wurzeln der Pflanzen). Oder aber das Gärgut wird «vererdet», also mit Erde vermischt drei bis acht Wochen verrotten lassen, bevor das Gemisch wie beim Kompost als mährstoffreiche Düngererde verwendet werden kann.

Kompostieren nach klassischer Methode geht auch in der Stadt problemlos – sofern ein Balkon vorhanden ist. Denn ein funktionierender Kompost stinkt nicht. «Wenn der Kompost faulig riecht oder schimmelt, dann ist etwas schief gegangen» sagt Henle. Alles, was es für einen Balkon-Kompost braucht, ist ein Behälter mit Deckel, in den Luftlöcher (die Mikroorganismen brauchen viel Sauerstoff) gebohrt werden können. «Der Behälter ist relativ egal, es kommt vor allem auf genügend Luftzufuhr sowie die Bewirtschaftung an. Und da braucht es manchmal etwas Erfahrung und Übung. Mit dem ersten Kompostversuch ist es oft wie mit den Omeletten: bis die erste parat ist, dauert's etwas länger.» Geduld ist deshalb einer der wichtigsten Faktoren für guten Kompost.

Der Behälter wird hälftig mit Häcksel, die oft gratis bei der Gemeinde bezogen werden können, und etwas tonhaltiger Erde (zum Beispiel Waldboden) zu einem Drittel gefüllt und schon können die rohen Küchenabfälle kompostiert werden. «Wichtig ist, alle Zutaten fingergross zu zerkleinern und die nährstoffreichen, feuchten Küchenabfälle zur Hälfte mit trockenem oder erdigem Material wie Gartenschnittgut oder Häcksel zu mischen» sagt Henle. Am besten die frischen Abfälle in der oberen Mitte des Kompostes einbuddeln – so verrotten die Abfälle schneller, es fault und stinkt nicht und keine Tierchen werden angelockt. Es kann auch etwas Urgesteinsmehl darüber gestreut werden – das hilft als mineralische Anreicherung bei Bildung von Humuskrümeln.

Weil er fand, dass es für den Gartenkompost doch eine ansehnlichere Lösung als die Kunststoff-Behälter bräuchte, hat der pensionierte Innenarchitekt Giusep Flurin Caduff einen Gartenkompost für Ästheten entworfen. Optisch erinnert der matte Aluminium-Komposter Cato eher an ein Spielzeughäuschen oder eine Hundehütte. Den Prototyp hat Caduff in seinem Garten über 18 Jahre getestet und nun ist er letztes Jahr mit dem «Cato» in Produktion gegangen. Der Komposter funktioniert als Zweikammersystem: Ist die eine Hälfte gefüllt und am «reifen», kann die zweite mit den neuen Abfällen gefüllt werden. Damit die fertige Komposterde nicht mühsam rausgekratzt werden muss, lassen sich die Seiten öffnen. Der Deckel verhindert, dass es im Kompost zu feucht wird. Löcher in der Seite sorgen für genügend Durchlüftung, damit der Kompost nicht zu faulen und stinken beginnt. Der Aluminium-Komposter Cato für den Garten, erhältlich über composting.ch für 1280 Franken. (Bild: Rob Lewis Photography)

Wichtig ist die richtige Feuchtigkeit: drückt man eine Handvoll Kompost aus, sollten maximal ein paar Tropfen Wasser entstehen. Ausserdem sollte der Kompost regelmässig mit einer Grabgabel aufgelockert und umgeschichtet werden. Alle rohen, pflanzlichen Produkte können problemlos in den Kompost. «Ein gesunder Kompost kommt mit vielem klar», so Henle. Auch langsamer abbauende Abfälle wie die Schalen von Zitrusfrüchten oder Eiern, die müssen nur gut zerkleinert und mit anderen Abfällen gemischt werden.

Tierische Produkte und Essensreste faulen schneller, daher sollten sie nicht im Kompost, sondern im Kehrichtsack entsorgt werden, genauso wie Asche, Zigarettenstummel, Öl und Fett sowie Tiermist (Ausnahme von kleine Pflanzenfressern wie Meerschweinchen) oder kranke Pflanzenteile sowie samentragende oder wurzelnde Unkräuter. Nach ein paar Monaten ist der Kompost reif: das Resultat ist frische Komposterde, die als Substrat für Sträucher oder zum Untermischen als kalium- und phosphorreicher Dügner für die Topfpflanzen oder die Gartenbeete eignet.

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