Tatjana Peskir (37) und ihr Mann Rastko Petakovic (42) wollten das Beste für ihre Tochter Izabela (9). Bei ihrer Geburt im Jahr 2012 liess das serbische Ehepaar Nabelschnurblut einlagern. Die Stammzellen darin sollten das Neugeborene gegen schwere Krankheiten versichern. Doch die Familie vertraute dem falschen Schweizer Unternehmen, wie BLICK im Jahr 2019 aufgezeigt hatte.
Die dubiose Stammzellen-Bank Cryo-Save vermasselte für die junge Familie so ziemlich alles: Zuerst war bei der Firma monatelang niemand erreichbar, dann stellte sich heraus, dass wichtige Voruntersuchungen bei Mutter Tatjana Peskir vergessen wurden. Wieder vergehen Monate, bis die im Kanton Schwyz ansässige Cryo-Save auf Betteln der Familie die Stammzellen in die USA schickt. Die Hoffnung: Izabelas autistische Störung soll an der renommierten Duke University mit Stammzellen therapiert werden. Doch die Schweizer Firma vermasselte auch noch den Transport!
Die Lieferung blieb gemäss einem internen Untersuchungsbericht sowohl in New York als auch in Atlanta liegen und verpasste die vorgesehenen Anschlussflüge. Weil der Behälter 98 statt 50 Stunden von Genf nach Durham unterwegs waren, konnte er die notwendige Temperatur von –190 Grad nicht halten. Resultat: Die Stammzellen von Tochter Izabela waren zwar nach 18 Monaten endlich an der Duke angekommen – allerdings komplett zerstört. «Als ich das erfuhr, starrte ich nur noch an die Wand und weinte», sagte Peskir zu BLICK.
Die Cryo-Save AG musste mittlerweile Konkurs anmelden. Schon zuvor entzog das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Schwyzer Firma die Lizenz. Europaweit hatten sich Beschwerden über die dubiosen Geschäftspraktiken gehäuft. Einige Strafanzeigen sind bis heute hängig, wie jene der Familie von Izabela. Vater Rastko Petakovic sagt auf Anfrage von BLICK, dass man sich einen Sammelklage angeschlossen habe, die sich gegen den zwischenzeitlich untergetauchten CEO der Firma Cryo-Save richte. Ausgang? Weiterhin ungewiss.
Gute Nachrichten gab es am Dienstag für zahlreiche Familien in der Schweiz, die vom Drama der dubiosen Schwyzer Firma ebenfalls betroffen waren. Europas grösste Stammzellenbank Famicord übernahm nach der Pleite des Schweizer Unternehmens Cryo-Save Nabelschnur-Stammzellen-Proben von rund 300'000 Familien. Darunter findet sich auch biologisches Material von Schweizer Familien, wie das in Warschau ansässige Unternehmen am Dienstag in einer virtuellen Medienkonferenz herausstrich. Nun ruft Famicord betroffene Familien auf, sich zu melden.
Famicord transportierte nach eigenen Angaben im Rahmen des grössten Stammzellen-Transfers der Geschichte 99 Prozent der Proben in fast sechzig Kryo-Tanks in ein Labor in Warschau. Gemäss Analysen befindet sich der Grossteil des Bestands in einem guten Zustand. Die Proben können in bis zu acht Untereinheiten aufgeteilt werden. So seien gewisse Probleme bei weniger als 0,3 Prozent der Untereinheiten aufgetreten. Dazu gehörten vor allem Spuren von biologischem Material an der äusseren Oberfläche der Verpackung, Anzeichen von mechanischer Beschädigung der Verpackung sowie Ausbleiben von Teilproben-Tests beim Test der Gesamtprobe, wie es in der Mitteilung heisst.
Die schlechte Nachricht: Ein Tank konnte noch nicht aufgespürt werden, er befinde sich aber vermutlich noch in den Niederlanden, wie Tomasz Baran, Vizepräsident der Geschäftsleitung, während der Online-Medienkonferenz sagte. Über diese Proben lägen Famicord keine genaueren Informationen vor. Ob demnach auch Schweizer Familien betroffen sind, ist unklar.
Dass die polnische Firma den Stammzellen-Transfer binnen 18 Monaten vollziehen konnte, freut auch Rastko Petakovic. «Wir stehen mit zahlreichen Familien in Kontakt, die Opfer von der Cryo-Safe AG wurden», sagt er. «Uns persönlich hilft dieser Transfer leider nicht mehr, weil die Stammzellen von Izabela beim Transport zerstört wurden», so Petakovic. «Aber wir freuen uns für die Hunderttausenden von Familien, die jetzt wieder Hoffnung erhalten.» (nim)