Holländische Profis am Werk: In NRW werden immer mehr Geldautomaten gesprengt - FOCUS online

2022-07-30 09:09:27 By : Mr. Raymond Ye

184 Geldautomaten sind seit Anfang letzten Jahres in Nordrhein-Westfalen in die Luft geflogen, weit mehr als in jedem anderen Bundesland. Banken und Polizei liefern sich ein Hase-und-Igel-Rennen mit holländischen Sprengprofis, die oft nicht einmal Beute machen.

Sie kommen in der Nacht in dunkelblauen Regenjacken der holländischen Kaufhaus-Kette HEMA, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, eine Taucherflasche voller Sprenggas in der Hand, stecken einen Schlauch in den Ausgabeschlitz des Geldautomaten, leiten die komplette Flasche ein, zünden das Gemisch aus sicherer Entfernung, sammeln die umherflatternden Geldscheine ein und rasen davon. Wenn Profis aus niederländischen Banden einen Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen sprengen, dann dauert das selten länger als zwei Minuten. 

92 Sprengungen zählt das Landeskriminalamt bisher in diesem Jahr - so viele wie im gesamten Vorjahr. Es ist dahe davon auszugehen, dass sich die Zahl gegenüber 2017 erhöht. Das ist ernüchternd, ist die Zahl der Überfälle gegenüber dem Rekordjahr 2016 mit 136 Sprengungen doch gerade erst gesunken. 

Nordrhein-Westfalen ist die Hochburg für eine Deliktart, die so selten wie gefährlich in Deutschland ist. 268 Geldautomaten wurden im gesamten Bundesgebiet 2017 laut Bundeskriminalamt in die Luft gejagt, kein Bundesland kommt dabei annähernd an die Zahlen aus NRW heran – wenngleich dieses Jahr auch Rheinland-Pfalz und Hessen Rekordzahlen melden. 

Nur in 35 Fällen konnte die Polizei Täter verhaften. Sie sind zumeist „reisende Täter“. Mehr als die Hälfte kommt aus den Niederlanden, viele haben einen nordafrikanischen Migrationshintergrund. Das ist kein Zufall, die Polizei vermutet ein professionelles Netzwerk dahinter. Dafür sprechen die Tatausführungen: Die Kleidung ist immer dieselbe, die Ausrüstung von Gasgemisch über Flaschen bis zu kleinen Transportwägelchen sehr professionell. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Täter das Equipment bei organisierten Banden mieten oder einkaufen. 

Zwar sind die Fallzahlen gering – alleine in NRW stehen geschätzte 15.000 Geldautomaten – doch sie stellen für die Banken ein großes Ärgernis dar. „Das ist ein Tatphänomen, das wir in den Griff kriegen müssen“, sagt Bernd Küppers, Sicherheitsexperte beim Rheinischen Sparkassen- und Giroverband. Schließlich geht es dabei nicht nur um die Sicherheit der Geldautomaten: Wer mag einer Bank schon sein Haus vermieten, wenn Explosionsgefahr besteht? 

Für die Institute waren Sprengungen lange Zeit ein neues Phänomen. Gegen Angriffe von außen, etwa mit Bohrern oder Winkelschleifern, sind die Geräte gut geschützt. Zwar lässt sich die Panzerung mit genug Aufwand immer noch durchdringen, doch bei geringsten Erschütterungen werden in den meisten Automaten Farbkartuschen ausgelöst, die das darin befindliche Geld einfärben.  

Das ist dann zwar immer noch legitimes Zahlungsmittel, aber meist zu auffällig, um es in Deutschland oder der EU zu benutzen. Täter müssten es dann in andere Teile der Welt schaffen, wo ein Zweitmarkt für gefärbte Geldscheine existiert, deren Herkunft keiner hinterfragt. In der Regel ist das für Banden zu aufwendig. 

Doch Sprengungen, so erklärt Küppers, sind „ein Angriff von innen“. Im Prinzip ist ein Geldautomat nicht mehr als ein mit Elektronik und etwas Sicherheitstechnik ummantelter Tresor, in dem das Geld lagert. Dass dieser von innen heraus gesprengt werden könnte, war bis vor 20 Jahren in den Sicherheitskonzepten der Hersteller nicht vorgesehen. Erst als die ersten Automaten in die Luft flogen, setzten sich Hersteller, Banken und Polizei an einen Tisch. Heraus kamen Automaten neuerer Generation, die bis zu einer bestimmten Menge an Sprenggas wirkungsvoll standhalten. 

Doch die technischen Möglichkeiten sind endlich. Die besten Automaten sind bis 100 Liter Sprenggas zertifiziert. Größere Mengen können sie standhalten, müssen sie aber nicht. Das erklärt, warum die Erfolgsquote selbst bei den Profi-Tätern gering ist. Von den 268 Sprengungen im Bundesgebiet 2017 blieben 52 Prozent erfolglos, in NRW liegt die Quote in seit Anfang 2017 sogar bei 57 Prozent. 

„Erfolglos“ heißt in diesem Falle nicht, dass der Automat gehalten hat, sondern, dass die Täter kein Geld erbeuteten. Das kann viele Gründe haben. Denn es sind nicht nur holländische Profis am Werk. „Es gibt viele Nachahmungstäter“, erklärt Heidi Conzen, Pressesprecherin des LKA in NRW. Die sind meist schlechter ausgestattet und gehen laienhafter vor. 

So kann ein Sprengversuch an zu wenig Gas im Automaten scheitern, an einem zu starken Automaten, an zu viel Gas und vielen anderen Dingen. Es gab Täter, so berichtet Küppers, die leere Automaten in die Luft jagten, sich an berstenden Glasscheiben verletzten oder gleich die ganze Filiale in Brand setzten oder Decken einstürzen ließen – und dann nicht an das Geld kamen und lieber flohen. Wie viel Geld in einem Automaten liegt, ist sowieso Glückssache. Es können mehr als 100.000 Euro sein, aber auch weniger als ein Zehntel dieser Summe.

Neben den Schäden und dem Gelddiebstahl bereiten Küppers vor allem die Schäden an den Filialen Sorgen. Denn wenn 100 Liter Gas explodieren, dann geht nicht nur der Geldautomat kaputt. Die Schäden am Gebäude sind im Schnitt mindestens genauso hoch wie der Schaden am Automaten – Neupreis etwa 15.000 Euro – und das gestohlene Geld. 

Deswegen versuchen die Banken immer neue Tricks, um die Sprengungen zu verhindern. Farbkassetten, die bei Brachialangriffen von außen gut wirken, sind bei Explosionen nutzlos. Sie können so schnell nicht auslösen. Außerdem sind sie teuer: Kassetten für einen Automaten können mit 7.000 Euro zu Buche schlagen, den Preis also um 50 Prozent erhöhen. 

Eine andere Methode sind Sensoren im Inneren, die einleitendes Gas bemerken und zünden, bevor eine kritische Menge erreicht ist. Die Hoffnung ist, dass das Gas dann einfach verpufft. Dabei dehnt sich das verbrennende Gas zwar aus, kann aber nicht den bei einer Explosion entstehenden Druck verursachen – der Automat bleibt heile. Allerdings sind die Sensoren eine zweischneidige Sache: Profis können sie austricksen und selbst wenn nicht, kann eine Verpuffung einen Brand auslösen, der am Ende gefährlicher wäre als eine Explosion. Schließlich stehen viele Geldautomaten im Erdgeschoss von Wohnhäusern. 

Die simpelste – und doch effektivste Möglichkeit – Sprengungen zu verhindern, ist deswegen, das Foyer einer Filiale während der Haupttatzeit zwischen 23 und 6 Uhr zu schließen. „Die Kunden beeinträchtigt das kaum“, sagt Küppers. Er hat nachgeforscht und festgestellt, dass nur 1,5 Prozent aller Transaktionen am Geldautomaten in diesem Zeitraum stattfinden – und dieser Wert wird noch von Automaten in Innenstädten, an Flughäfen und Bahnhöfen nach oben getrieben. 

Zwar lassen sich Profis auch von einer abgeschlossenen Tür nicht abhalten, doch einen Einbruch können die Alarmanlagen schnell bemerken und gewinnen so etwas Zeit für eine Reaktion. Wie die aussieht, muss meist ein Sicherheitsangestellter der Bank per Fernbedienung entscheiden. Ein lauter Alarm kann Täter bereits vertreiben, dort, wo die Polizei schnell vor Ort sein kann, lohnt es sich, sie direkt zu alarmieren. 

Als letzte Möglichkeit bleiben in einigen Filialen Vernebelungsanlagen, die den Tätern die Sicht im Foyer rauben. Sie sind sehr effektiv, dürfen aber nur sehr ausgewählt und niemals automatisch eingesetzt werden. Erstens können auch im Foyer eingeschlossene Obdachlose – die das oft als Schlafplatz nutzen – den Einbruchsalarm auslösen. Zweitens kann ein Nebel bei schon fortgeschrittenen Sprengvorbereitungen die Täter in Panik versetzen und damit am Ende mehr Schaden anrichten als eine halbwegs kontrollierte Sprengung des Gerätes. 

Am Ende ist es ein Hase-und-Igel-Rennen. Was immer sich die Banken als Gegenmittel ausdenken, Profi-Täter werden sich neue Methoden dagegen überlegen, dann sind wieder die Banken am Zug. Sie stehen im konstanten Austausch mit Polizei und Herstellern. Einmal im Jahr setzen sich alle Beteiligten an einen Tisch und diskutieren die neuen Entwicklungen, Probleme und Lösungsvorschläge.  

Einer davon ist eine Spezialeinheit der Polizei, die nach den Tätern fahndet, und dabei auch mit den niederländischen Kollegen kooperiert. Das hat die Fallzahlen in NRW vergangenes Jahr tatsächlich gesenkt. Allein: Viele Täter wichen daraufhin nach Rheinland-Pfalz und Hessen aus, wo die Tatzahlen inzwischen deutlich stiegen.

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Im angrenzenden Ausland hatte man die gleichen Probleme. Man hat sie durch das einfache anbringen von Farb-Bomben in den Geldkassetten der Automaten binnen kürzester Zeit in den Griff bekommen.

endlich Gesetz werden, das die Banken Ihre Geldautomaten mit Farbbomben bestücken müssten. Aber Dies wird leider nicht kommen, da ja dann die Bargeldabschaffer ein Argument weniger für die Abschaffung haben. Nämlich Kriminalität.

Wie kann man sich nur Sorgen um Anwohner machen wenn der Automat in die Luft geht schon WÄHREND das Gas eingefüllt wird und die Blödmänner noch vor Ort sind. Die Gefahr ist doch um so größer je effektiver und länger das schon fertig vorgemischte Gasgemisch eingefüllt werden kann. Wenn denen mal schon während der Füllung ein Automat um die Ohren geflogen ist müssen die ihre STrategie auch erst mal überdenken...

Mittwoch, 07.11.2018 | 16:54 | Wynendaele Sven  | 1 Antwort

Wenn im Automat die Sensoren eingeleitetes Gas bemerken kann eine Entlüftung gestartet werden wo das Gas sofort wieder nach draussen leitet...

schon lange Mittel dabgegen, Die nach Sprengung oder Gewalteinwirkung das ganze Geld wertlos machen. Aber Dies ist ja nicht erwünscht, da man ja dann ein Argument für Bargeldabschaffung weniger hat. Manchmal muss man den Eindruck gewinnen, eben diese Sprengungen sind von der Politik , der Finanzwirtschaft und den Banken geradezu erwünscht.

wurde Deutschland freigegeben zur Ausplünderung. Was es hier alles an Banden, Clans und Täter gibt die über die Grenze einreisen um einzig und allein Straftaten zu begehen ist kaum zu fassen. WEnn man das alles Auflisten würde, incl. denen die hier wohnen wäre das große Zähneklappern angesagt. Aber da schweigt man oder macht die Salamitaktik. Die Wahrheit könnte viele verunsichern.

Mittwoch, 07.11.2018 | 16:37 | Bernd Konrad  | 1 Antwort

durch eine Flamme innen im Automaten verhindern. Meiner Meinung nach würde sogar eine einfache Kerze genügen, die man natürlich professionell durch eine kleine Gasflamme ersetzen kann. Dann kann man kaum Gas einleiten, ohne das es vorher verbrennt.

nur sicherstellen das es in den Geräten keine größeren freien Lufträume gibt in welchem Gas ausreichen Platz hätte. Im Zweifelsfall einfach mit irgendwas zustopfen was für Elektronik oder Mechanik kein Problem darstellt.

Sicherheitsbehörden - Banken wieder nur mehr Rücksicht auf die kriminellen Straftäter nehmen, das die armen bei ihrer Tatbegehung und Sicherheitsabwehrmaßnahmen ja nur nicht zu Schaden kommen geschützt werden. Meingott, da sind organiserte Schwerverbrecher am Werk eine Bank zu mit Explosivstoffen Geldautomaten zu sprengen um diese auszurauben. Da sollte man zur Abehr bei Gaswahrnehmung per Sensor sofort die Eingangstüren verriegeln und ein schnell wirkendes Betäubungsgas auf die Bankräuber abgeben um sie anschließend in Ruhe gestellt verhaften, wie für Jahre ins Gefängnis stecken zu können. Hier muß der Rechtsstaat, wie das Gewaltmonopol des Staates sich endlich mal für organisierte Schwerkriminelle durchsetzen.

ist unglaublich, wie unsere Politik den Banken hörig ist. Die Umrüstung auf gegen Einleitung von Gas sicheren Automaten, oder wenigstens das Einlegen von Farbkassetten, würde nur einen kleinen Bruchteil dessen kosten, was bei jeder Sprengung an Schäden entsteht. In anderen Ländern wie den Niederlanden, hat das der Gesetzgeber schon lange vorgeschrieben, deshalb kommen die Ganoven alle zu uns, wo sie leichtes Spiel haben. Es ist ein Riesenglück das bisher noch kein Unbeteiligter verletzt oder gar getötet wurde, das kann aber jederzeit passieren, wenn man überlegt, das meist in unmittelbarer Nähe Menschen wohnen. Aber wie immer muss es erst wirklich einmal Tote geben, bis die Politik reagiert. Und leider haben bei den Versicherern ebenso die Banken das Sagen, von da kommt keine Hilfe.

so genannte "Rechts Radikale " beobachten und Politiker beschützen. Etwas wenig um wieder Ordnung in unserem Land wieder herzustellen. 184 Überfälle und noch kein Ergebnis ???

hat schon verloren! Vor allem aber Billiglöhner meint! Wer zusätzlich das Scheunentor offen lässt ist ein ........! Wer jedoch keinen Plan hat, das ganze aufzuhalten, der hat Null Ahnung von Politik, Mensch und Kriminalität! Staatsversagen ist das Hauptwort für diese und andere Tragödien in D. Aber, ich bin als tatsächliche Fachkraft zum Glück in einem Nachbarland demnächst unterwegs. Das ist das folgenschwere Resultat für die hiesige Kopfgrippe!

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